Altes aus Papier

Alte Postkarten

Altes aus PapierAus dem Industriezeitalter im 19. Jahrhundert entwickelte sich die Postkarte, die „Meyers Konversations-Lexikon“ zu Beginn des Jahres 1889 so beschreibt:“ Die Idee der Postkarte wurde zum ersten Mal auf der fünften deutschen Postkonferenz zu Karlsruhe 1865 von dem damaligen Geheimen Postrat Stephan, jetzigen Leiter des Reichspostwesens, vor der Öffentlichkeit in einer Denkschrift entwickelt, in welcher die Einführung von Postkarten in Anregung gebracht und das System derselben in seiner jetzigen Ausführung erläutert wurde. Der Vorschlag drang bei der Versammlung damals nicht durch."

Die dort anwesenden österreichischen Abgeordneten fanden die Idee gut, so dass am 01.10.1869 die Verordnung über die Einführung der "Correspondenz-Karte" bekannt wurde. Zum 01.07.1870 führte die Norddeutsche Postverwaltung "Correspondenz-Karte" ein, 1873 die Deutsche Reichspost.

Innerhalb Deutschlands kamen von der Post spezielle "offen zu versendende Postblätter" auf den Markt und ab 1872 durften auch privat angefertigte Karten auf dem Postwege befördert werden. Bis 1905 durfte auf der Rückseite nur die Anschrift geschrieben werden. Alte Ansichtskarten durften ebenfalls nur auf der Bildseite für Mitteilungen an den Empfänger genutzt werden.

Alte Ansichtskarten

Als Erfinder der Ansichtskarte gelten der Oldenburger Hofbuchhändler August Schwartz und der Göttinger Student Ludolf Parisius genannt. Schwartz versah am Tag der Mobilmachung zum deutsch-französischen Krieg 1870/ 71 (16.07.1870) eine Korrespondenzkarte an seine Schwiegereltern mit einem "Artillerie-Bildchen". Circa 1875 konnte man die erste Bildpostkarte erwerben, aber eine rege Nachfrage entwickelte sich ungefähr erst ab dem Jahr 1885.

Das Sammeln beginnt

Einige entdeckten ihre Sammelleidenschaft für alte Ansichtskarten, so dass sich zwischen 1890 und 1915 ein reger Wirtschaftszweig entwickelte. Nur in Berlin wurden bis 1899 ungefähr 90 Millionen Karten angefertigt und zur Jahrhundertwende existierten dafür circa sechzig Fabriken. Für einen weltweiten Austausch gründeten sich Sammlerclubs und Fachzeitschriften.

Beispielsweise wurden im Jahr 1893 vom Nationaldenkmal auf dem Niederwald bei Rüdesheim knapp 14.000 Ansichtskarten versendet, was in den nächsten drei Jahren 128.000 Karten ansteigen sollte, bis 1899 auf bereits 281.000. Durch das Durcheinander nach dem Ersten Weltkrieg ließ die Sammelleidenschaft nach. Die Fotografie und das Telefon verbreiteten sich enorm und aufgrund neuer Drucktechniken wurde die künstlerische Gestaltung der Karten nicht mehr sehr gewürdigt.

Neben den Druckarten wie dem klassischen Steindruck oder dem Flachdruck kamen Farblithografien, kurz Lithokarten, groß in Mode. Da diese von einmaliger Qualität gefertigt wurden, was heute auch mit modernsten Techniken nahezu überhaupt nicht mehr möglich ist, sind sie bei Sammlern sehr beliebt und entsprechend wertvoll.

„Altes aus Papier“ wie Ansichtskarten zu sammeln geriet zunehmend in Vergessenheit. Noch lange nach der letzten Nachkriegszeit wurden alte Ansichtskarten als wertloser Kram einfach weggeworfen oder verbrannt. Die beginnende Nostalgiewelle erweckte eine erneute Sammelleidenschaft. Oft wurde auf dem Dachboden oder in einer lange nicht benutzten Kammer „Altes aus Papier“ oder „alte Postkarten“ gesucht.

Wie alles begann

Spezielle gesellschaftliche Rahmenbedingungen leisteten der Einführung und Verbreitung der Postkarte Vorschub. In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts gab es vor allem in gebildeten oder vermögenden Milieus familiäre geographische Trennungen. Durch die Industrialisierung begannen erhebliche Zuwanderungen in entsprechende Städte und in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts konnten durch die Eisenbahn Postkarten schnell versendet werden. Das steigerte das Bedürfnis nach kurzen Nachrichten mit zeitnaher Zustellung. Beispielsweise wurden am 25. Juni 1870 in Berlin schon am ersten Verkaufstag 45.468 sogenannte „Correspondenzkarten“ (Vorläufer der Postkarte) verkauft.

Die Sorge um das Briefgeheimnis

Es war nicht alles Friede, Freude, Eierkuchen, denn es regte sich bezüglich der offenen Lesbarkeit bei einigen Personen Widerstand. Unter anderem konnte problemlos ein Dienstbote Nachrichten und Informationen an seine Herren lesen. Darüber hinaus bestanden dahingehend Bedenken, dass durch die knapp gehaltenen Texte ein Stück Sprachkultur verloren gehen könnte.

Diese Bedenken sind heutzutage bei der Diskussion um soziale Medien wie WhatsApp oder Facebook nicht unbekannt, aber dennoch erfreute sich bereits damals schon das neue Medium an enormer Beliebtheit. Die Attraktivität lag damals wie heute darin, ohne großen Zeitaufwand knappe Mitteilungen ohne sprachliche oder grammatikalische Bedenken verfassen und versenden zu können.

Im Deutsch-Französischen Krieg vom Juli 1870 bis Mai 1871 verschickten Soldaten ungefähr 10 Millionen Feldpostkarten. Begünstigt wurde die massenhafte Verbreitung im Juli 1872 durch die Senkung des Portos für Postkarten auf die Hälfte.

Zulassung privat hergestellter Postkarten

Ab dem 1. Juli 1872 durften auch privat angefertigte Postkarten versendet werden. Die freie Auswahl der Bebilderung der Karten brachte auch historische Motive zum Vorschein. Einen Boom erlebten diese Karten ab den 1870er Jahren, wobei es privaten Verlegern erst 1885 offiziell gestattet wurde, Postkarten mit Ansichten zu veröffentlichen.

Bereits im Jahr 1875 wurden Postkarten international verschickt und mit dem Weltpostvertrag von 1878 wurden exakte Regeln für deren Herstellung und die Gebührenerhebung aufgestellt. Die üblichen, bis heute geltenden Postkartenformate erlangten ab Februar 1905 im Deutschen Reich Gültigkeit. Demnach darf die Vorderseite nur mit dem Bild versehen sein, während die Rückseite der Beschriftung mit Nachricht und Adresse dient.

Postkarten sammeln

Schon sehr früh diente eine Postkarte nicht nur als Medium der Kommunikation, sondern wurde teilweise auch leidenschaftlich gesammelt. Experten gehen nach einer Schätzung davon aus, dass während der Blütezeit des Sammelns zwischen 1895 und 1914/18, circa 20% der angefertigten Karten sofort von Sammlern erworben wurden.

Das Postkartensammeln, die sogenannte Philokartie, hat seinen Ursprung aus dem Briefmarkensammeln, der sogenannten Philatelie, so dass seriöse Philatelisten zunächst darüber nur lächeln konnten. Doch schon früh gab es Vereine und Sammlermagazine, die versuchten “...belehrend und aufklärend auf die Sammler zu wirken und das Sammeln in die richtige Bahn zu lenken”, wie es 1901 in der Satzung des “Centralverbandes für Ansichtskarten-Sammler” nachzulesen war. Der erste deutsche Verein zur Philokartie gründete sich Im Mai 1894 als „Sammlerverein für illustrierte Postkarten zu Hamburg“. Später folgten zahlreiche weitere Vereine mit lustigen Namen wie “Internationale Ansichtskarten-Revue”, “Die kleine Reise um die Welt in Ansichtskarten” oder “Der Postkarten-Sammler – Organ des Centralverbandes für Ansichtskarten-Sammler”.

Man versuchte verbindliche Konventionen zu etablieren, damit sich die Sammler an einem Regelkatalog orientieren. Die Karte selbst sollte die Basis weiterer Studien dienen. Man untersuchte die Drucktechniken, die Hersteller, das Abgebildete, teilweise historische Motive und die Einbindung der Karte in das Gesamtbild. Eine komplette Sammlung mit ihren einzelnen Motiven konnte in Beziehung zueinander gesetzt, nach einem bestimmten System oder einer Logik geordnet und wie ein Puzzle zusammengesetzt werden. So ergab sich manchmal ein komplettes Bild der Realität.

Ein Bild von der Welt ansehen

Zunehmend wurde die Sammelleidenschaft von Ansichtskarten professionalisiert, so dass die „Profis“ zunehmend höhere Ansprüche an die auf den Postkarten verfassten Texte stellen. Es existierten Hefte mit vorgefertigten Reimen, Gedichten und Texten für Postkarten. Begründet wurde diese Vorlage im Einleitungstext mit einer Aussage, nach der man sinngemäß ein Kulturbanause war, wenn man eine künstlerisch wertvolle Karte durch Worthülsen verunstaltete.

Ein damals erschienenes Sammlermagazin schreibt zur Motivation des Sammelns, dass sie ermögliche: “engere Heimath und die weite, weite Erde spielend kennen zu lernen”. Im Grunde geht es dabei um nichts anderes wie unser Bestreben heutzutage. Wir lauschen Berichten über die neuesten Ausgrabungen in Ägypten, durchstöbern Wikipedia-Artikel zu verschiedensten Kulturen und Ereignissen auf der ganzen Welt, nutzen Google Maps zur Erkundung der abgelegensten Regionen der Welt oder hören aufmerksam Podcasts zu, die über historische Ereignisse und Zusammenhänge berichten. Genauso erging es den Menschen vor 100 Jahren, die sich unter anderem mit Postkarten als eines ihrer zur Verfügung stehenden Mittel, ein zusammengefügtes Bild von der Welt machen wollten.

Darüber hinaus hatten zahlreiche Menschen das Bedürfnis, in Zeiten der Beeinflussung des Nationalismus und Kolonialismus, sich sozusagen wieder in der Welt zu orientieren und zu positionieren. Man wollte sich klar zwischen dem “Eigenen” und dem “Fremden” abgrenzen. Durch das Sammeln von Postkarten konnte die Welt verstanden, geordnet und kategorisiert werden. Letztlich wurden nicht grundlos durchnummerierte Postkartenreihen von den Herstellern herausgegeben, was sich durch das Postkarten-Archiv einer historischen Bildagentur nachweisen lässt.

Erforschung der Bildpostkarte

In den 1960er Jahren entflammte die Sammelwelle erneut, allerdings diesmal eher auf der musealen und wissenschaftlichen Ebene. Teilweise wurden Postkarten als Unikate zur Entdeckung und Erforschung als kulturhistorische Primärquelle verwendet. Zu allem Unglück erhielt die Aussagekraft bestückter Alben in der Vergangenheit nicht die verdiente Wertschätzung, so dass die Karten entnommen und auf diese Weise aus dem Zusammenhang getrennt wurden.

Unter anderem verfügt das Postkarten-Archiv des Altonaer Museums leider über viele leere Sammelalben. Die bestückten Alben hingegen zeigen thematisch Heimat-, Urlaubsbilder aus dem Harz oder Ägypten, Karten aus Scherz, Gruß-, Kunst-, Propaganda- und Feldpostkarten. Die meisten Postkarten aus einem Postkarten-Archiv einer historischen Bildagentur sind allerdings geographisch und thematisch geordnet.

Als regelrechte historische Geschenke können Kartenbestände aus familiären Zusammenhängen angesehen werden. Mit deren Hilfe lassen sich gesamte Familiengeschichten rekonstruieren und wieder aufleben. Bei der Digitalisierung werden Bestände zusammenhängend bearbeitet, um Bezüge und Zusammenhänge herstellen zu können. Bei der Erschließung der vielen Postkarten werden die Texte sinngemäß übertragen und lassen sich somit für unterschiedliche kulturhistorische Fragestellungen auswerten.